Dienstag, 30. Juni 2020

Kloster Maulbronn | Allgemeines 2. Juli 1877: Hermann Hesse erblickt das Licht der Welt

Er ist ganz sicher einer der berühmtesten Zöglinge der Klosterschule in Maulbronn: der spätere Literatur-Nobelpreisträger Herrmann Hesse. Er wurde am 2. Juli 1877, vor 143 Jahren, in Calw geboren. Mit 14 Jahren wechselte der sensible Teenager in das evangelisch-theologische Seminar der Klosterschule Maulbronn. Doch in der engen, steifen Umgebung fühlte er sich nach kurzer Zeit un- und missverstanden. Verzweifelt flüchtete der Junge nach nur sieben Monaten 1892 aus dem Kloster. Heute zählt Hermann Hesse nicht nur zu den prominenten Köpfen der Maulbronner Klosterschule – er gilt als meistgelesener deutschsprachiger Autor des 20. Jahrhunderts weltweit. Seine Erlebnisse verarbeitete der spätere Nobelpreisträger 1906 in dem Roman „Unterm Rad“, 1925 folgte der „Kurzgefasste Lebenslauf“. Doch auch in seinen Werken „Narziß und Goldmund“ und „Glasperlenspiel“ taucht die Klosterstadt unter anderen Namen auf.

KEINE AUSBILDUNG FÜR ANGEHENDE DICHTER

Bereits mit 13 Jahren – 1891 – wusste Hermann Hesse, was er werden wollte: „entweder Dichter oder gar nichts“. Doch – die Schule bildete ihn seiner Meinung nach dafür nicht aus: „Zu allen Berufen der Welt gab es einen Weg, gab es Vorbedingungen, gab es eine Schule, einen Unterricht für Anfänger. Bloß für den Dichter gab es das nicht“, blickt er 1925 in seinem „Kurzgefassten Lebenslauf“ enttäuscht auf seine Schulzeit zurück. „Ein Dichter zu werden aber, das war unmöglich, es werden zu wollen, war eine Lächerlichkeit, eine Schande, wie ich sehr bald erfuhr“, beklagt er auch rund 30 Jahre später die Umstände. Tiefe Verzweiflung brachte ihn schließlich dazu, in einer kalten Märznacht 1892 aus dem Kloster zu fliehen. Er verbrachte eine Nacht im Freien und wurde schließlich von Gendarmen aufgefunden und zurückgebracht. Nach einer längeren Strafe im Karzer holte ihn sein Vater nach Hause.

 

AUF DER SUCHE NACH EINEM PLATZ
Nach seiner Flucht war Hesse nervlich angeschlagen; wegen eines Selbstmordversuchs brachten ihn seine Eltern sogar in die Nervenheilanstalt Stetten. Ab November 1892 besuchte er das Gymnasium in Cannstatt und legte dort ein Jahr später die Obersekundarreife ab. Es folgten mehrere, kurze Stationen – eine abgebrochene Buchhändler-Ausbildung in Esslingen, eine Gehilfentätigkeit bei seinem Vater und ein Mechaniker-Praktikum in der Calwer Turmuhrenfabrik Perrot. Seine 1895 begonnene Buchhändlerlehre in Tübingen schloss er ab. Er veröffentlichte erste Gedichte und 1899 ein erstes Buch. Im selben Jahr zog er nach Basel und arbeitete zuerst als Buchhandelsgehilfe, später als Buchhändler. Parallel begann er für die Allgemeine Schweizer Zeitung zu schreiben – und zu reisen: durch die Schweiz und nach Italien.

 

WELTWEIT DER MEISTGELESENE DEUTSCHE AUTOR

Einen Ruhepol und Ort zum Leben Arbeiten fand Hesse ab 1919 in Montagnola im Tessin: Hier entstanden seine großen Werke. 1927 gelang ihm mit dem „Steppenwolf“ international der Durchbruch. Romane und Erzählungen wie „Siddharta. Eine indische Dichtung“ (1922), „Narziß und Goldmund“ (1930) und das „Glasperlenspiel“, das wegen des Nazi-Regimes 1943 in Zürich veröffentlicht wurde, zählen heute zur Welt- und Schullektüre. Seine Bücher wurden in mehr als 50 Sprachen übersetzt, erschienen weltweit in einer Gesamtauflage von über 100 Millionen Exemplaren. Damit gilt er als der meistgelesene deutschsprachige Autor des 20. Jahrhunderts. Unter den Nationalsozialisten galt er als „Vaterlandsverräter“ doch genau „Für seine inspirierte Verfasserschaft, die in ihrer Entwicklung neben Kühnheit und Tiefe zugleich klassische Humanitätsideale und hohe Stilwerte vertritt“, wie es in der Begründung des Nobelpreis-Komitees heißt, erhält er 1946 den Nobelpreis für Literatur. Bereits 1924 hatte Hermann Hesse die Schweizer Staatsbürgerschaft angenommen.

 

BERÜHMTER SCHÜLER

Der Schulbesuch Hermann Hesses in Maulbronn war im Grunde vorgezeichnet: Bereits sein Großvater Hermann Gundert erhielt am Evangelischen Seminar eine theologische Ausbildung und wurde später Missionar in Südindien. Der Werdegang seines Großvaters schien Hesse zu inspirieren: Er reiste 1911 mit einem Freund nach Ceylon, und weiter nach Malaysia, Singapur und Sumatra. Seine Erlebnisse verarbeitete er in „Aus Indien“, das 1913 erschien. Was Großvater und Enkel ebenfalls teilten: die Liebe zur Sprache. Gundert machte sich neben seiner Missionarstätigkeit einen Namen als Sprachwissenschaftler. Nach Maulbronn kehrte Herrmann Hesse nach seiner Schulzeit noch einmal zurück: Im Jahr 1914 besuchte er die Klosteranlage. Damals entstand das Gedicht „Im Maulbronner Kreuzgang“.

 

Service und Informationen

Im Literaturmuseum von Kloster Maulbronn erfährt man mehr über einen der berühmtesten Schüler und seinen Werdegang. Der Ort, an dem Hermann Hesse zur Schule ging, hat wieder täglich von 9.00 bis 17.30 Uhr geöffnet. Zur Wahrung der Vorschriften der Corona-Verordnungen hat die Klosterverwaltung den Rundgang durch Klausur und Klosterkirche als Einbahnstraße geregelt.

 

WEITERE INFORMATIONEN

Kloster Maulbronn

Klosterhof 5

75433 Maulbronn

+49(0)70 43.92 66 10

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